Datum
13. November 2024
Wissenschaftshistorisches Kolloquium Marburg (hybrid)
Ananda Chopra (Leiter der Ayurveda-Klinik in Kassel): „Moderne Medizin und traditionelles Wissen im zeitgenössischen Āyurveda – Anatomie und Geschichtsbild bei Gaṇanātha Sena (1877–1945)”
Vortragsreihe „Wissenschaftshistorisches Kolloquium”, Uni Marburg
13.11.2024, ab 18 Uhr c.t.
Hörsaal Uni Marburg (Roter Graben 10, 35037 Marburg) statt / der Vortrag wird zudem über Big Blue Button online übertragen (Zugangsdaten für dieses Semester unter IGPhMMR@uni-marburg.de anfragen)
*Zusammenfassung des Vortrags*
1913 veröffentlicht Gaṇanātha Sena (1877–1945) den ersten Band eines dreibändigen Anatomie-Lehrbuchs in Sanskrit für Āyurveda-Studenten mit dem Titel Pratyakṣa-Śārīram (etwa: „Anatomie durch Wahrnehmung”). In dem ausführlichen Vorwort dieses Werkes erläutert Gaṇanātha nicht nur sein Vorgehen bei der Entwicklung einer anatomischen Nomenklatur in Sanskrit, welche moderne medizinische Erkenntnisse integriert, sondern verdeutlicht auch, dass er damit eigentlich nur das Wissen der alten āyurvedischen Gelehrten wiederentdeckt. Begründet wird diese Behauptung mit einer kurzen Darstellung der historischen Entwicklung des Āyurveda, die durch eine eigentümliche Geschichtsauffassung gekennzeichnet ist.
Āyurveda, die traditionelle gelehrte Heilkunde Südasiens, ist heutzutage in Indien und anderen Ländern Südasiens ein professionalisiertes und institutionalisiertes Medizinsystem. Als traditionelle Wissenschaft blickt der Āyurveda auf eine umfangreiche Fachliteratur zurück, die in den vergangenen zweitausend Jahren vor allem in Sanskrit, der altindischen Hochsprache, verfasst wurde. Heutige Āyurveda-Ärzt*innen berufen sich in Lehre, Praxis und Forschung stets auf diese traditionelle Fachliteratur. Gleichzeitig stellt man aber auch fest, dass die heutige Ausprägung des Āyurveda Erkenntnisse der modernen Medizin und Naturwissenschaft integriert. Die Formierung des zeitgenössischen Āyurveda war – und ist auch heute noch – vor allem gekennzeichnet durch eine Auseinandersetzung mit der modernen Medizin und Naturwissenschaft.
Gaṇanātha Sena war als Autor und Arzt aber auch als streitbarer Standespolitiker in der āyurvedischen Ärzteschaft eine prägende Gestalt für den Āyurveda in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Als Sohn eines Āyurveda-Arztes durchlief er zunächst ein Studium des Sanskrit und des Āyurveda bevor er in Calcutta (heute: Kolkata) auch moderne Medizin studierte. In seiner besonderen Geschichtsauffassung, mit welcher er sein Vorgehen bei der Integration moderner Erkenntnisse in den Āyurveda rechtfertigt, werden sowohl Bezüge zu kulturhistorischen Entwicklungen im kolonialisierten Indien („Bengal Renaissance”, Kopf 1969) sichtbar als auch klassische indische Anschauungen zum Wesen von Wissenschaft.
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