Veranstaltung

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Andreas Heinz: Das kolonialisierte Gehirn – Zum Verständnis psychischer Krankheit im historischen Wandel

Datum
02. Juni 2025 

Vor­trag in Wien, Österreich


Andreas Heinz (Char­ité Berlin): Das kolo­nial­isierte Gehirn – Zum Ver­ständ­nis psy­chis­ch­er Krankheit im his­torischen Wandel
Mon­tag 2. Juni 2025, 18:00 Uhr
Josephinum – His­torisch­er Hör­saal, Währinger Straße 25, 1090 Wien

Gibt es Zusam­men­hänge zwis­chen Vorstel­lun­gen über das Gehirn und den Kolo­nial­is­mus? Konzepte psy­chis­ch­er Krankheit und Gesund­heit ste­hen immer im jew­eili­gen his­torischen Kon­text. Für das Ver­ständ­nis psy­chis­ch­er Erkrankun­gen bedeutet dies, dass die um 1900 entwick­el­ten The­o­rien auch kolo­niale, geschlechts- und alters­be­zo­gene Hier­ar­chien auf das Gehirn und seine Funk­tio­nen pro­jizierten. Psy­chis­che Erkrankun­gen wur­den dementsprechend als evo­lu­tionär­er Abbau, Degen­er­a­tion oder Regres­sion auf eine ver­meintlich prim­i­tive Stufe ver­standen, die ange­blich bei den Bewohn­ern der Kolonien, aber auch bei Kindern und in manchen The­o­rien auch bei Frauen beobacht­bar seien. Gegen diese Abw­er­tung ver­meintlich prim­i­tiv­er Ver­hal­tensweisen erhebt sich eine Rei­he kri­tis­ch­er Ein­wände, die von der Roman­tisierung bis zum struk­turellen Ver­gle­ich unter­schiedlich­er Lebensweisen reichen, und die selb­st wieder von den sozialen Bewe­gun­gen ihrer Zeit bee­in­flusst sind. Auseinan­der­set­zun­gen um hier­ar­chis­che Mod­elle psy­chis­ch­er Funk­tions­fähigkeit­en und ihrer Veror­tung im Gehirn prä­gen bis heute das Ver­ständ­nis psy­chis­ch­er Erkrankungen.

Andreas Heinz ist Senior Pro­fes­sor an der Uni­ver­sität Tübin­gen. Er studierte Medi­zin, Anthro­polo­gie und Philoso­phie an der Ruhr-Uni­ver­sität Bochum, Freien Uni­ver­sität Berlin und der Howard Uni­ver­si­ty, Wash­ing­ton, D.C. 2002 bis 2025 war er Direk­tor der Klinik für Psy­chi­a­trie und Psy­chother­a­pie der Char­ité Cam­pus Mitte. 2018 bis 2022 war er Sprech­er des Son­der­forschungs­bere­ich­es TR 265 sowie 2023 bis 2025 des Deutschen Zen­trums für psy­chis­che Gesund­heit. Seine Forschungss­chw­er­punk­te sind Lern­mech­a­nis­men bei Psy­cho­sen und Suchterkrankun­gen sowie Fra­gen der interkul­turellen Psy­chi­a­trie und Psychotherapie.

*) Die Neuburg­er Lec­tures sind eine Vor­tragsrei­he des Insti­tutes für Ethik, Samm­lun­gen und Geschichte der Medi­zin der Medi­zinis­chen Uni­ver­sität Wien und des Josephinums. Sie sind dem Neu­rolo­gen, Medi­z­in­his­torik­er und Grün­der des Wiener Insti­tutes für Medi­zingeschichte, Max Neuburg­er, gewidmet.