Veranstaltung

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Gefühle und Sinne in der Geschichte der Medizin

Datum
07. April – 09. April 2025 

42. Stuttgarter Fort­bil­dungssem­i­nar des Insti­tuts für Geschichte der Medi­zin des Bosch Health Campus


Das 42. Stuttgarter Fort­bil­dungssem­i­nar des Insti­tuts für Geschichte der Medi­zin des Bosch Health Cam­pus befasst sich mit Gefühlen und Sin­nen in der Geschichte der Medi­zin. Nachwuchswissenschaftler:innen haben die Möglichkeit, Poten­tiale in diesen Forschungs­feldern in ver­schiede­nen Epochen und Regio­nen auszu­loten und ihre eige­nen Pro­jek­te zu präsentieren.
42. Stuttgarter Fortbildungsseminar

Gefüh­le und Sinne sind keine ahis­torischen Kon­stan­ten, son­dern kul­turell und his­torisch wan­del­bar. Forschungsar­beit­en aus der Sinnes- und der Emo­tion­s­geschichte haben es ein­drück­lich gezeigt: Gefüh­le und Sinne haben und machen Geschichte.

Angst, Liebe, Ekel oder Trauer sind an den jew­eili­gen his­torischen Kon­text rück­ge­bun­den, brin­gen ihn zugle­ich aber auch her­vor. Gefüh­le existieren in einem Span­nungs­feld zwis­chen indi­vidu­eller kör­per­lich­er Erfahrung und gesellschaftlich­er Kon­struk­tion. So gren­zten sich alter­na­tivmedi­zinis­che Akteurs­grup­pen auf dem medi­zinis­chen Markt durch emo­tionale Zuschrei­bun­gen wie ärztliche „Oper­a­tionswut“ und „wis­senschaftliche Kälte“ von der „schul­medi­zinis­chen“ Prax­is ab. Aus patien­tengeschichtlich­er Per­spek­tive sind Gefüh­le und Emo­tio­nen über­aus wichtig, nicht zulet­zt, wenn sie von den gesellschaftlichen Nor­mvorstel­lun­gen abwichen und pathol­o­gisiert wur­den. Auch der Wan­del medi­zinis­ch­er Behand­lungsmeth­o­d­en hat­te Auswirkun­gen auf die Emo­tio­nen von Patient:innen. So ver­schob bspw. die Ein­führung und Ver­bre­itung von Narkoti­ka die Äng­ste der Behan­del­ten von den Schmerzen zu einem Kontrollverlust.

Ger­ade in der Vor­mod­erne spielte die sen­sorische Wahrnehmung bei der Beurteilung von Gesund­heit und Krankheit eine entschei­dende Rolle. Der Gesund­heit­szu­s­tand von Patient:innen kon­nte durch bloßes Anse­hen des Urins während der Harn­schau beurteilt wer­den. Ansteck­ende Krankheit­en sowie das tod­brin­gende Mias­ma kon­nten hinge­gen gerochen wer­den. Doch auch in der Mod­erne blieben Sinne in der Medi­zin zen­tral, beispiel­sweise das Ertas­ten von schmerzen­den Kör­per­re­gio­nen für die Selb­st­di­ag­nose oder das Hören mit Hil­fe eines Stethoskops für die Diag­nose durch medi­zinis­ches Fachpersonal.

Über diese inhaltlichen The­matiken hin­aus lässt sich aber auch grund­sät­zlich über die Chan­cen und Her­aus­forderun­gen eines emo­tions- oder sin­neshis­torischen Ansatzes für die medi­zingeschichtliche Forschung nach­denken. Wie lassen sich die bei­den eigen­ständi­gen und in den let­zten Jahren höchst dynamis­chen Forschungs­felder in einen Dia­log brin­gen? Auf welche begrif­flichen Konzepte und welche Quellen lässt sich zurück­greifen, um die Rolle von Sin­nen und Gefühlen in der Medi­zingeschichte zu untersuchen?

Für das 42. Stuttgarter Fort­bil­dungssem­i­nar 2025 sollen diese Prob­lematiken mit unter­schiedlichen Ansätzen und Meth­o­d­en für ver­schiedene Epochen und Regio­nen beleuchtet werden.

Als Vorschlag und Anre­gung sind fol­gende The­menge­bi­ete denkbar:

Patient:innengefühle: Welche Gefüh­le bracht­en Patient:innen im Laufe der Geschichte mit der medi­zinis­chen Behand­lung in Verbindung? Welchen Ein­fluss hat­te dies auf das Ver­hält­nis von Ärzt:innen, anderen Gesund­heits­berufen und Patient:innen? Lässt sich etwa von ver­schiede­nen „emo­tion­al com­mu­ni­ties“ (Rosen­wein) sprechen?

Geschlecht, Sinn und Gefühl: Inwiefern lassen sich geschlechtsspez­i­fis­che Nor­men, Zuschrei­bun­gen und Deu­tun­gen in Bezug auf Sinne und Gefüh­le in der Medi­zingeschichte feststellen?

Sen­sorik in der Medi­zin: Welche Sinneswahrnehmungen spiel­ten und spie­len bei der Beurteilung von Krankheit und Gesund­heit eine Rolle? Lassen sich epochenüber­greifende Kon­stan­ten und zen­trale Zäsuren aus­machen? Welche Per­spek­tiv­en eröffnet die Sin­nes­geschichte nicht zulet­zt für eine Geschichte der Medi­zin, die über den Men­schen hinausdenkt?

Gefüh­le und Sinne in der Wis­senspro­duk­tion: Welche Rolle spiel­ten men­schliche (und tier­liche) Gefüh­le und Sinne für die Pro­duk­tion von medi­zinis­chem Wis­sen? Inwiefern bee­in­flussen Emo­tio­nen auch die Arbeit von Medi­z­in­his­torik­er: innen?

Pathol­o­gisierung von Gefühlen und Sin­nen: Gefühlsre­gun­gen, die im jew­eili­gen Zeitkon­text von der „Nor­mal­ität“ abwichen, wur­den oft­mals als Krankheit­en gedeutet. Dabei war der Über­gang von „gesund“ zu „krank“ fließend und hing von ganz unter­schiedlichen Fak­toren ab. Welche waren das? Lassen sich für bes­timmte Epochen spez­i­fis­che „Gefühlsregime“ (Red­dy) ausmachen?

Andere, dem The­ma im weitesten Sinne ver­wandte Fragestel­lun­gen und Pro­jek­te sind eben­falls willkommen.

Das Stuttgarter Fort­bil­dungssem­i­nar des Insti­tuts für Geschichte der Medi­zin des Bosch Health Cam­pus unter­schei­det sich von klas­sis­chen Fach­ta­gun­gen. Es ist ein inter­diszi­plinäres Forum für Nachwuchswissenschaftler:innen, dessen zen­trale Anliegen der Aus­tausch und die inhaltliche Auseinan­der­set­zung mit dem The­ma der Tagung vornehm­lich in his­torisch­er Per­spek­tive sind. Der Fokus liegt daher auf inno­v­a­tiv­en method­is­chen Herange­hensweisen, neuen Fragestel­lun­gen und Ideen und weniger auf per­fekt aus­gear­beit­eten Präsen­ta­tio­nen. So dient die Tagung auch der Ver­net­zung von Forschen­den in einem frühen Sta­di­um ihrer Karriere.

Vor Beginn der Tagung wer­den die Abstracts zu den einzel­nen Vorträ­gen an alle Teil­nehmenden ver­sandt, um eine bessere Vor­bere­itung zu ermöglichen. Erwün­scht ist die Anwe­sen­heit während der gesamten Tagung, um inhaltliche Bezüge zwis­chen den Beiträ­gen zu ermöglichen.

Das Sem­i­nar find­et vom 07.04. bis 09.04.2025 in Stuttgart statt.

Ablauf
Die Auswahl der Beiträge, die Gestal­tung des endgülti­gen Pro­gramms und die Mod­er­a­tion der Sek­tio­nen liegen in den Hän­den ein­er Vor­bere­itungs­gruppe (Sara Müller, Tere­sa Schenk, Dirk Mod­ler, Pierre Pfütsch). Die Auswahl der Teil­nehmenden wird durch die Vor­bere­itungs­gruppe anhand anonymisiert­er Vorschläge vorgenommen.

Für jeden Beitrag sind 45 Minuten einge­plant, wobei max. 20 Minuten für den Vor­trag zur Ver­fü­gung ste­hen und 25 Minuten für die Diskus­sion. Bei Arbeits­grup­pen (vorzugsweise zwei Per­so­n­en) erhöht sich das Zeit­bud­get für den Vor­trag und die anschließende Diskus­sion auf eine Stunde. Die Tagungssprache ist Deutsch, einzelne Vorträge kön­nen allerd­ings auch auf Englisch gehal­ten wer­den. Die Teil­nahme wird vom Insti­tut für Geschichte der Medi­zin des Bosch Health Cam­pus finanziert. Dies schließt die Über­nach­tun­gen, gemein­same Mahlzeit­en und Bah­n­reisen 2. Klasse (in Aus­nah­me­fällen gün­stige Flüge) ein. Kosten für eine Anreise per PKW wer­den nicht erstattet.

Anmeldung

Ein Exposé von max. ein­er Seite, aus dem Titel, Fragestel­lung, Meth­o­d­en, ver­wen­dete Quellen und mögliche Thesen/Ergebnisse her­vorge­hen, sowie eine Kurzvi­ta, senden Sie bitte bis zum 12. Jan­u­ar 2025 per E‑Mail (gerne als Word-Datei) an Dr. Pierre Pfütsch pierre.pfuetsch@igm-bosch.de.