Datum
17. Oktober 2025
Workshop der Zeitschrift „Beiträge zur Geschichte der nationalsozialistischen Verfolgung“
Neue Perspektiven auf das Thema KZ-Krankenreviere sollen im Februar 2026 auf einem Workshop der Zeitschrift „Beiträge zur Geschichte der nationalsozialistischen Verfolgung“ vorgestellt und diskutiert werden. Dazu werden Beitragende gesucht.
Krankenreviere in den Konzentrationslagern – Zum Umgang mit Krankheit und Sterben im nationalsozialistischen Lagersystem
Mittlerweile existiert eine nahezu unüberschaubare Zahl an Veröffentlichungen zum System der nationalsozialistischen Konzentrationslager sowie zur Geschichte der Medizin im Nationalsozialismus. Die Verknüpfung beider Themenkomplexe um die Fragen nach medizinischem Alltag und Krankenversorgung in den Konzentrationslagern ist mit Ausnahme der dort durchgeführten verbrecherischen Humanexperimente weiterhin ein eher randständiges Forschungsgebiet.
Dabei veröffentlichten Überlebende, die in den Krankenrevieren der Konzentrationslager als Funktionshäftlinge eingesetzt waren, bereits früh ihre Erinnerungen oder wissenschaftliche Abhandlungen. Zu nennen wären beispielhaft die Publikationen der jüdischen Ärztinnen Lucie Adelsberger (1956) und Paulette Don Zimmet-Gazel (1946) oder die Erinnerungen von Walter Poller (1946), der als Arztschreiber im KZ Buchenwald tätig war. Auch spielten die ehemaligen Häftlingsärzt:innen eine wichtige Rolle als Zeug:innen in den Ermittlungen der Alliierten zu NS-Verbrechen und den daraus folgenden Strafprozessen.
In den folgenden Jahrzehnten wurde den Krankenrevieren der Konzentrationslager aus wissenschaftlicher Sicht wenig Aufmerksamkeit geschenkt. Davon ausgenommen waren Forschungsarbeiten zur Durchführung von Humanexperimenten in den Konzentrationslagern. Erst in den letzten Jahren entstanden eine Reihe von Einzelstudien zur Krankenversorgung in den Konzentrationslagern und zum Einsatz von Funktionshäftlingen in den Krankenrevieren. Zum medizinischen Alltag in den Konzentrationslagern besteht jedoch weiterhin Forschungsbedarf.
Hier möchte der geplante Workshop ansetzen. Erwünscht sind Beiträge, die die medizinische Versorgung und den medizinischen Umgang mit Häftlingen in KZ-Krankenrevieren untersuchen.
Von besonderem Interesse sind Vorschläge zu den folgenden Themen:
– Funktion und Funktionswandel der KZ-Krankenreviere
– Alltag in den Krankenrevieren: Aufnahme, Möglichkeiten und Grenzen medizinischer Behandlungen, Mangel
– Einsatz von Funktionshäftlingen: Handlungsspielräume, Dilemmata, Aneignung von medizinischem Wissen, Einsatz des Vorwissens, nationale Kontexte
– Abteilung Lagerarzt in der IKL bzw. der Amtsgruppe D des SS-WVHA: Personal, Verfügungen, SS-Ärzt:innen, SS-Sanitätsdienstgrade und SS-Krankenschwestern
– Genderaspekte und sozial-rassistische Kriterien bei der medizinischen Versorgung in den Konzentrationslagern
– Juristische Aufarbeitung von Medizinverbrechen und die Rolle von Funktionshäftlingen in Nachkriegsprozessen (Alliierte Prozesse sowie Prozesse in Ost- und Westdeutschland)
– Gesundheitliche Spätfolgen (physisch und psychisch) und ihre Erforschung in den Nachkriegsjahren
– Krankheit und Sterben als Motive in (lagerzeitlicher und memorialer) Kunst und Literatur
Denkbar sind darüber hinaus Beiträge über das System der Konzentrationslager hinaus:
– Verbindungen oder Vergleich zur Krankenversorgung in anderen NS-Verfolgungsorten (Zwangsarbeiter:innenlager, Kriegsgefangenenlager, Ghettos), personelle Überschneidungen sowohl bei Täter:innen als bei Funktionshäftlingen
– Verbindungen der Konzentrationslager zu lokalen, zivilen Einrichtungen in Bezug auf medizinische Versorgung (Krankenhäuser, Apotheken) oder medizinischer Forschung jenseits von Experimenten (Anatomien, Universitäten)
Wissenschaftler:innen, die zu einem der umrissenen Themenbereiche einen Beitrag leisten möchten, sind herzlich zur Teilnahme an und Mitwirkung im Workshop eingeladen. Es ist geplant, einzelne Vorträge des Workshops in Heft 8 der Zeitschrift „Beiträge zur Geschichte der nationalsozialistischen Verfolgung“ zu veröffentlichen, dessen Erscheinen für 2027 vorgesehen ist.
Die Vorträge sollen den Charakter von Impulsreferaten haben, an die sich jeweils eine Diskussion anschließt. Wir bitten alle Interessierten, uns bis spätestens 17. November 2025 ein einseitiges Abstract ihres geplanten Vortrages (max. 600 Wörter) sowie eine Kurzbiografie an folgende E‑Mail-Adresse zu senden: anett.dremel@gedenkstaetten.hamburg.de
Die Benachrichtigung der ausgewählten Referent:innen erfolgt bis zum 20. Dezember 2025. Für Referent:innen werden die Reise- und Übernachtungskosten übernommen.
Kontakt
anett.dremel@gedenkstaetten.hamburg.de