Datum
08. September – 09. September 2023
35. Jahrestagung der Arbeitsgemeinschaft Ethnologie und Medizin (AGEM) in Kooperation mit dem 20. Arbeitstreffen der Kommission Medizinanthropologie der Deutschen Gesellschaft für Empirische Kulturwissenschaft (DGEKW) im Warburg-Haus in Hamburg
Krisen und die Rede von Krisen haben Konjunktur. Neben Umwelt‑, Versorgungs‑, und Finanzkrise haben nicht zuletzt die Verbreitung von SARS-CoV‑2 und die damit verbundenen erheblichen sozialen, politischen, gesundheitlichen und wirtschaftlichen Folgen vielen vor Augen geführt, wie fragil Gesellschaften und gesellschaftlicher Zusammenhalt sind. Krisen- und Liminalitätserfahrungen stellen soziale Ordnungen in ihren alltäglichen Selbstverständlichkeiten in Frage und sind im sozialen Wandel bspw. an Übergängen des Lebensverlaufes wie Geburt, Schuleintritt, Pubertät, Berufswahl, Partnerschaft, Kinder, Ruhestand oder drohender Tod selbst alltäglich. Als persönliche Krisen können sie das Leben erschüttern, z. B. durch die Diagnose einer unheilbaren oder chronischen Krankheit oder durch den Verlust eines nahestehenden Menschen und Risse in der eigenen Biographie verursachen, die, neben unvorhergesehenen Ereignissen, durch intersektionale soziale Marginalisierungen, bspw. im Kontext von Disabilities, verstärkt werden. In der gegenwärtigen Situation spitzt sich die Frage nach den in Krisen eingebundenen Körpern weiter zu.
Mit dieser Tagung richten wir den Fokus auf die medizinanthropologische Erforschung der alltäglichen Erfahrungen und körperlichen Dimensionen von Krisen. Wir fragen nach den Verkörperungen permanenter Krisenerfahrungen und Modifikationen der sinnlichen Wahrnehmung und des Erlebens, die in ihren Folgen selbst im Gesundheitssystem relevant werden, ebenso wie nach deren Bewertungen im Spannungsfeld von Degeneration und Resilienz als verlorene oder gewonnene Kompetenzen. Gleichzeitig fragen wir nach den Potentialen medizinanthropologischen Forschens und laden dazu ein, methodologische Fragen gegenstandsbezogen zu diskutieren. Zentral für diese Diskussion sind unter anderem kollaborative und partizipative Forschungsansätze, die die konventionelle Dichotomie der Forschenden und der zu Erforschenden hinterfragen. Die medizinanthropologische Forschung zeigt, wie Gesundheitsideen und ‑praktiken soziale Ungleichheit nicht nur zum Ausdruck bringen, sondern auch perpetuieren und verstärken können. Mögliche weitere Fragen sind, welche Herausforderungen sich bei der Erforschung körperlicher Erfahrung und sinnlicher Wahrnehmungen für das ethnographische Schreiben ergeben, welche methodologischen Neuerungen, die vor allem durch die pandemische Ausnahmesituation entstanden sind, das qualitative Forschungsspektrum der Medizinanthropologie erweitern und welche neuen Wege zur Reflexion digitaler Forschungsmethoden sich eröffnet haben.
PROGRAMM
Freitag 8. September 2023
13:00 – 13:15 Uhr
Begrüßung und thematische Einführung
PANEL I: Krisen und Körper in Geschichte und Gegenwart
13:15 – 13:45 Uhr
Philipp Osten (UKE Hamburg): Pandemie – Rückblicke in die Gegenwart
13:45 – 14:15 Uhr
Tobias Becker (Universität Hamburg): Medien und Medizin als Ressourcen füreinander? Polio-Impfungen im BRD-Fernsehen der 1960er und 70er Jahre
PANEL II: Krisen und Institutionen
14:15 – 14:45 Uhr
Andrea Kuckert (Marien Hospital Düsseldorf): Identitäten und Gesundheitssystem – ein Forschungsbericht
14:45 – 15:15 Uhr
Sophie Witt (Universität Hamburg): Quo vadis Medical Humanities. Überlegungen zu Krisen disziplinären Denkens
15:15 – 16:00 Uhr Pause
PANEL III: Ethnografische Annäherungen an Krisen und Körper
16:00 – 16:30 Uhr
Maren Heibges (TU Berlin): Mind the Gap! Risiko in der Empirischen Kulturwissenschaft
16:30 – 17:00 Uhr
Patrick Bieler (HU Berlin): Erfahrungsbasierte Epidemiologie: (Wie) kann Ethnografie die Erforschung der Zusammenhänge von urbanen Umwelten und (psychischer) Gesundheit informieren?
17:00 – 17:30 Uhr Pause
Keynote
17:30 – 19:00 Uhr
Hella von Unger (LMU München): Partizipative Gesundheitsforschung und die Trägheit sozialer Wirklichkeit/en
19:30 Uhr
Abendessen im Bistro Abaton (http://www.abaton-bistro.de/)
Samstag 09. September 2023
PANEL IV: Räume und Narrative von Körpern in der Krise
09:30 – 10:00 Uhr
Anita Ham (Leiden University Medical Centre/The Hague University of Applied Science): Krisen und Screening des Körpers
10:00 – 10:30 Uhr
Manuel Bolz (Universität Hamburg); Holly Patch & Mona Motakef (TU Dortmund); Sabine Wöhlke (HAW Hamburg): trans* Kindheit, Adoleszenz und Familiengründung. Zeitlichkeit im Leben von trans* Menschen. Die Rolle des Gesundheitssektors
10:30 – 10:45 Uhr Pause
PANEL V: Krisen und Körper kuratieren, musealisieren, ausstellen
10:45 – 11:15 Uhr
Amelie Sachs (Hannover): Der Dieb der Weiblichkeit
11.15 – 12.30 Uhr Abschlussdiskussion
12.30 – 13.30 Uhr Lunch
Mitgliederversammlungen
13.30 – 15.00 Uhr Mitgliederversammlung der Arbeitsgemeinschaft Ethnologie und Medizin (AGEM)
13.30 – 15.00 Uhr Kommissionssitzung Medizinanthropologie (DGEKW) (Hybrid)
Es werden keine Teilnahmegebühren erhoben. Kosten für Reise und Unterkunft können nicht erstattet werden. Alle Teilnehmenden erhalten zeitnah Programminformationen sowie Anreise- und Unterkunftsinformationen.
Die Tagung findet vornehmlich in Präsenz statt. Aufgrund der begrenzen Raummöglichkeiten gibt es darüber hinaus die Möglichkeit, dem Programm online live zu folgen (hybrid). Dabei können über den Chat Fragen bzw. Wortbeiträge eingebracht werden. In beiden Fällen bitten wir um Anmeldung unter krisen_koerper_kompetenzen@agem.de bis zum 26. August 2023. Bei der Anmeldung bitte auch angeben, ob Sie an dem gemeinsamen Abendessen im Abaton teilnehmen möchten (Selbstzahler). Wir empfehlen, sich zeitnah um eine Unterkunft zu bemühen.
Wir freuen uns darauf, Sie/Euch in Hamburg kennenzulernen und/oder wiederzusehen!